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Ifo-Bildungsbarometer: Mehrheit der Deutschen wünscht sich Rechtsanspruch auf Weiterbildung

Grundsätzlich großes Interesse, persönlich aber eher Zurückhaltung: Die Deutschen schauen mit gemischten Gefühlen auf Bildungsangebote im Beruf.

 
Foto: Uwe Anspach / dpa

 

»Der Bedarf ist groß, betrifft mich selbst aber nur bedingt«: Mit dieser Haltung schaut die Mehrheit der Deutschen auf Angebote zur beruflichen Weiterbildung. So wünschen sich 77 Prozent einen Rechtsanspruch auf berufliche Weiterbildung aus einem Katalog von Angeboten, den die Unternehmen vorlegen sollen. »Und 63 Prozent sind für verpflichtende jährliche Weiterbildungen für Arbeitnehmer*innen in Berufen, die vom Strukturwandel besonders betroffen sind«, heißt es im neuen Ifo-Bildungsbarometer, dessen Ergebnisse am Mittwoch vorgestellt wurden

Demnach halten 72 Prozent der Befragten berufliche Fortbildungen für sinnvoll, um mit den Veränderungen in der Arbeitswelt Schritt zu halten. Für die Studie hatte das Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung an der Ludwig-Maximilians-Universität München bundesweit über 4000 Erwachsene befragt.

Der beruflichen Weiterbildung komme »eine essenzielle Rolle zu, um sicherzustellen, dass Beschäftigte vom Strukturwandel profitieren und Unternehmen offene Stellen mit geeigneten Fachkräften besetzen können«, schreiben die Autorinnen und Autoren. Das werde von der großen Mehrheit der Bevölkerung auch so wahrgenommen.

 

Mehr Weiterbildung, in erster Linie aber für andere

Für die persönliche Lebenswelt spielt das Thema Weiterbildung allerdings eine deutlich geringere Rolle. Während 62 Prozent der Befragten der grundsätzlichen Einschätzung zustimmen, dass der Fortbildungsbedarf steigen wird, unterschreiben nur 48 Prozent der Deutschen diese Aussage auch für das eigene Berufsfeld. Und nur 43 Prozent sehen aktuell für sich selbst eine große Notwendigkeit, berufliche Weiterbildung in Anspruch zu nehmen.

Diese Dissonanz zeigt sich auch im konkreten Handeln. Nach Zahlen für das Jahr 2020 , die Ramona Jost vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg erhoben hat, nahmen gerade einmal 15 Prozent der Beschäftigten an betrieblichen Weiterbildungsmaßnahmen teil – ein Rückgang von mehr als der Hälfte gegenüber 2018 (36 Prozent). Besonders mau war 2020 die Weiterbildungsquote bei Beschäftigten in einfachen Tätigkeiten, sie lag bei mageren sechs Prozent. Jost weist in ihrer Studie darauf hin, dass mutmaßlich auch die besondere Situation im ersten Pandemiejahr 2020 die Weiterbildungsaktivitäten massiv ausgebremst hat.

Nach den Ergebnissen des Ifo-Bildungsbarometers wünschen sich 76 Prozent der Befragten, dass für absolvierte Weiterbildungen einheitliche Zertifikate ausgestellt werden. Außerdem plädiert die Mehrheit der Deutschen dafür, digitale Grundfertigkeiten sowohl an Grund- als auch an weiterführenden Schulen zum Unterrichtsthema zu machen. Eine Forderung, die auch der Stuttgarter Computerwissenschaftler Michael Resch unterstützt. »Die deutsche Bildungspolitik hat im Bereich Informatik kapituliert«, sagte Resch im SPIEGEL-Interview , »in den späten Achtzigerjahren hieß es: Dafür haben wir keine Lehrer ausgebildet. Heute greift noch immer das gleiche Argument: zu komplex, zu schwierig, die Lehrer kennen sich da nicht aus.«

 

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