Finanzwesen

Rekord-Insolvenzen in 2024: Droht nun die Pleitewelle in Deutschland?

Die wirtschaftliche Lage in Deutschland bleibt angespannt, warnen Insolvenzverwalter und Experten. Ein weiterer Anstieg an Insolvenzen sei zu erwarten.

 

 

Köln – Unzählige Insolvenzen dominieren momentan das wirtschaftliche Geschehen in Deutschland. In fast täglichen Abschnitten kommen neue Insolvenzmeldungen rein. Neben mehreren kleinen und mittelgroßen Traditionsunternehmen zählten zu den dramatischsten Pleiten die Insolvenz von Galeria, welche schlussendlich neun Filialen traf. Auch Modemarke Esprit ist in eine finanzielle Schieflage geraten. Für das Unternehmen ist es die zweite Insolvenz in vier Jahren.

Anfang Juni kam dann die Schocknachricht aus der Tourismusbranche: Reiseveranstalter FTI meldet am Amtsgericht München Insolvenz an. Das hatte direkt Konsequenzen für alle Urlauber. Viele Reisende berichteten auf Social Media von Rausschmissen aus den Hotels oder horrenden Nachzahlungen. Laut einer Pressemitteilung der FTI Group wurden nun alle Reisen ab dem 06. Juli abgesagt.

 

Rekordzahlen sorgen für Schock: Insolvenzen in Deutschland

Die Zahlen der Insolvenzen in Deutschland ist auf einem Hoch. Allein in den ersten Monaten des Jahres im Jahr 2024 wurden schon über 3.000 Insolvenzen angemeldet. Die beantragten Regelinsolvenzen im Mai liegen 25,9 Prozent höher als noch im Mai 2023. Im April 2024 hatte sie um 28,5 Prozent gegenüber April 2023 zugenommen. Damit sind seit Juni 2023 konsequent zweistellige Zuwachsraten im Vergleich zum Vorjahr zu verzeichnen.

 

Düstere Prognose für Deutschland: „Der Trend bei den Insolvenzen wird sich fortsetzen“

So schnell soll sich an dieser Lage erstmal nichts ändern, schätzen Experten. „Der Trend bei den Insolvenzen wird sich fortsetzen“, sagt Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Wirtschaftsforschung bei Creditreform zur Augsburger Allgemeine. Obwohl die Zahl der Insolvenzen niedriger ist als während der Finanzkrise 2009, sind nun vermehrt größere Unternehmen betroffen. „Der Schaden pro Insolvenz und die Zahl der betroffenen Arbeitsplätze ist größer“, führt er weiter aus.

 

Aktuell häufen sich Insolvenzen von Unternehmen mit bis zu 300 Mitarbeitern

Auch Insolvenzverwalter Dirk Andres geht nicht davon aus, dass sich die Lage beruhigen wird und erwartet einen weiteren Anstieg an Insolvenzen. Besonders betroffen sind wohl weiterhin der Einzelhandel und zunehmend auch die Industrie, sagt er zum Handelsblatt. Eine Pleitewelle befürchte er jedoch nicht.

Als häufigste Ursache nennt er die schwächelnde Wirtschaft. Nach den Lieferkettenproblemen während der Pandemie sei nun die Nachfrage, vor allem in der Autoindustrie, rückläufig. Gleichzeitig steigen die Energie- und Personalkosten massiv an, was auch auf die hohen Abschlüsse der IG Metall zurückzuführen sei.

Aktuell beobachtet Andres vermehrt größere Insolvenzen von Unternehmen mit bis zu 300 Mitarbeitern. Einige Unternehmer denken sogar über eine Abwanderung aus Deutschland nach. „Vor allem, wenn die Unternehmen schuldenfrei sind, müssen die Unternehmerfamilien überlegen, ob sie das Geld dann nicht gewinnbringender anlegen können als im eigenen Unternehmen, wenn die Perspektive fehlt“, so Andres.

 

Insolvenzen in Deutschland: Auch Pflegeheime stehen vor Problemen

Auch die gestiegenen Zinsen tragen zur Krise bei. Trotz dessen sei es aber noch „ruhig“, sagt Andres. In der Baubranche würden sich die gestiegenen Zinsen aber doch bemerkbar machen. Auffällig sei zudem die Zunahme von Insolvenzen im Krankenhaus- und Pflegebereich, obwohl der Bedarf an Pflege weiter steige. „Auch Pflegeheime stehen vor den Problemen, die alle anderen Unternehmen haben. Gleichzeitig fehlt es an betriebswirtschaftlicher Kompetenz und Durchsetzungskraft“, erläuterte Andres im Gespräch mit Handelsblatt.

Insgesamt 12 Pflegeeinrichtungen in Nordrhein-Westfalen mussten Insolvenz anmelden, berichtet die Rheinische Post. Eine Anfrage der SPD-Landtagsfraktion an Karl-Josef Laumann (CDU), den Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales in NRW, bestätigte das.

 

Wirtschaftskrise in Deutschland: Viele Unternehmen schließen noch vor Insolvenzanmeldung

Viele Unternehmen schließen, weil sie keinen Nachfolger finden oder ihr Geschäft unrentabel geworden ist, wie die Augsburger Allgemeine berichtet. Laut Creditreform und dem Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim schlossen im Jahr 2023 in Deutschland etwa 176.000 Unternehmen, was einem Anstieg um 2,3 Prozent entspricht.

Ein Beispiel dafür ist der Techniker Gravis. Ein Händler in Deutschland, der sich auf Apple spezialisiert hatte, wird Ende Juni 2024 seinen Verkauf in 37 Geschäften und im Online-Shop weitgehend einstellen. Im März 2024 wurde bekannt, dass das Geschäft nicht weitergeführt werde.

Auch hier lief das Geschäft nicht mehr: „Nach vielen erfolgreichen Jahren hat die Gravis seit 2022 mit einem negativen Ergebnis zu kämpfen. Die Verluste steigen seitdem mehr oder weniger jedes Quartal. Einer der Hauptgründe ist die Entwicklung, dass Monobrandshops und die damit einhergehende Abhängigkeit von einer Brand – insbesondere mit Blick auf Apple – nicht mehr nachhaltig wirtschaftlich sind“, sagt ein Pressesprecher zu rbb24.

 

Quelle: Merkur >>