In diesen Branchen ist die Furcht vor der Pleite am größten
Messen und Events: Berufsverbot
Seit 30 Jahren ist die Firma Rendel aus Hommerich im Messebau aktiv. Der Familienbetrieb mit neun festen und etlichen freien Mitarbeitern bietet Mittelständlern ein Rundum-Paket aus Standbau und digitaler Visualisierung. „Vor Corona liefen die Geschäfte sehr gut“, erzählt Geschäftsführerin Michaela Kupper. Die Firma baut Messestände in ganz Deutschland. Doch seit März sind Messen pandemiebedingt untersagt.
„Das Berufsverbot ist für unsere Branche eine Katastrophe. Wir haben keinerlei Aufträge mehr“, sagt Kupper. Hinzu kommt: Etliche Kunden haben gebaute, aber ungenutzte Messestände nicht bezahlt.
Mit null Umsatz ins Blaue hinein Überbrückungskredite aufnehmen – dieses Wagnis wollte Kupper nicht eingehen. Im Mai meldete Rendel Messebau Insolvenz an. „Wir sehen keine Perspektive, dass Messen 2020 wieder starten“, sagt die Unternehmerin. Sie erwartet eine heftige Marktbereinigung. Zumal durch günstige Anbieter aus Osteuropa ohnehin ein Preiskampf tobe.
Rendel ist nicht die einzige existenzgefährdete Firma in der zersplitterten und deshalb oft unterschätzten Veranstaltungsbranche. Diese generiert 130 Milliarden Euro Jahresumsatz. Rund eine Million Menschen arbeiten bei Kongress- und Konzertveranstaltern, Eventagenturen oder Bühnenbauern. In den Niederlanden hat Möbelverleiher JMT, der in 13 Ländern aktiv ist, ebenfalls kürzlich Insolvenz angemeldet.
„Zwei Drittel aller Betriebe droht die Pleite“, schlägt Jan Kalbfleisch, Chef des Kommunikationsverbands Famab, Alarm. Die Hilfsprogramme von bis zu 150.000 Euro für drei Monate seien viel zu bürokratisch und könnten die Schäden nicht annähernd wettmachen.
„Die Veranstaltungswirtschaft steht auf der Roten Liste der akut vom Aussterben bedrohten Branchen“, meint auch Tom Koperek, Initiator der „Night of Light“. In der Nacht vom 22. Juni wurden bundesweit mehr als 5000 Gebäude symbolisch rot angestrahlt.
„Unsere Branche braucht echte Hilfe statt Kreditprogramme, sonst kommt eine riesige Insolvenzwelle“, warnt der Unternehmer aus Essen. Seine LK AG mit 120 Mitarbeitern bietet für Kunden wie Evonik oder Hochtief einen Rundumservice für Messeauftritte, Tagungen oder Hauptversammlungen – auch digital.
Seit Monaten hat Koperek keine Einnahmen mehr. Kosten von monatlich mehr als 100.000 Euro laufen weiter. KfW-Kredite würden die Malaise nur hinauszögern, meint er. „Wir bekommen eine künstliche Beatmung, aber am Ende des Jahres ist die Sauerstoffflasche leer.“ Spätestens 2021 seien viele in der Branche so überschuldet, dass sie Insolvenz anmelden müssten.
Messebauerin Kupper versucht, das Beste aus der Not zu machen. Ihre Hallen hat sie vermietet, die Schreinerei aufgegeben. Sie hofft nach der Insolvenz auf einen krisensicheren Neustart – mit einer digitalen Werbeagentur.
Katrin Terpitz