Finanzwesen

Firmenpleiten: Die Zahl der Insolvenzen steigt kräftig

Dank ausgesetzter Insolvenzantragspflichten in der Pandemie und Staatshilfen sind in den vergangenen Jahren nur wenige Unternehmen pleite gegangen. Nun wächst die Zahl deutlich – vor allem in einer Branche.

 

 

Die Pleite der Fima Social Chain von „Die Höhle der Löwen“-Juror Georg Kofler war im vergangenen Monat nur eine von vielen: Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Deutschland ist im Juli deutlich gestiegen. Es beantragten fast ein Viertel (23,8 Prozent) mehr Unternehmen Regelinsolvenzverfahren als im Vorjahresmonat, wie das Statistische Bundesamt am Freitag in Wiesbaden mitteilte. Vielen Unternehmen machen die Konjunkturflaute, hohe Kosten etwa für Energie und Materialien sowie gewachsene Kreditkosten im Zuge des Zinsanstiegs zu schaffen. Experten sehen aber keine Pleitewelle.

Damit setzte sich der Aufwärtstrend der vergangenen Monate fort. Bereits im Juni hatte es einen Anstieg um knapp 14 Prozent gegeben. Es hatten unter anderem die Traditionsunternehmen Weck und Römertopf Insolvenz angemeldet, wie die WirtschaftsWoche exklusiv berichtete. Seit August 2022 nimmt die Zahl der Unternehmensinsolvenzen kontinuierlich zu. Die Verfahren fließen erst nach der ersten Entscheidung des Insolvenzgerichts in die Statistik ein. Daher liege der tatsächliche Zeitpunkt des Insolvenzantrags in vielen Fällen rund drei Monate davor, erläuterte die Behörde.

 

Energieversorgungsbranche verzeichnet die wenigsten Insolvenzen

Endgültige Zahlen liegen für den Mai vor. In dem Monat meldeten die deutschen Amtsgerichte 1478 beantragte Unternehmensinsolvenzen, 19 Prozent mehr als im Vorjahresmonat. Die Forderungen der Gläubiger bezifferten die Amtsgerichte auf knapp 4 Milliarden Euro. Das war nach Angaben des Statistischen Bundesamts fast doppelt so viel wie im Mai 2022 mit fast 2,2 Milliarden Euro. In diesem Mai gab es zudem 5679 Verbraucherinsolvenzen, 3,7 Prozent weniger als ein Jahr zuvor.

Die meisten Insolvenzen je 10.000 Unternehmen entfielen auf die Branche Verkehr und Lagerei mit 8,7 Fällen, gefolgt von sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen, etwa Zeitarbeitsfirmen, mit 7,4 Fällen. Die wenigsten Insolvenzen gab es in der Energieversorgung.

„Trotz deutlichem Anstieg der Unternehmensinsolvenzen im Juli sehen wir nicht die vielfach erwähnte Insolvenzwelle“, sagte Christoph Niering, Vorsitzender des Berufsverbandes der Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands (VID). Das Insolvenzgeschehen sei in der Pandemie von staatlicher Seite deutlich abgemildert worden, nun sei vor allem eine Normalisierung zu beobachten. „Die Zahlen liegen noch unter den Werten des wirtschaftlich guten Jahres 2019.“

Die Bundesregierung hatte die Insolvenzantragspflichten in der Coronapandemie vorübergehend ausgesetzt, um eine Welle von Pleiten zu verhindern. Dies sowie Staatshilfen im großen Stil hatten die Zahl der Firmenpleiten in den vergangenen Jahren auf niedrigem Niveau gehalten – trotz Pandemie und Energiekrise. Seit August 2022 nimmt die Zahl der Firmeninsolvenzen kontinuierlich zu. Für das laufende Jahr hatten Experten einen Anstieg erwartet.

Niering sieht Nachholeffekte. Viele der jetzt von Insolvenz betroffenen Firmen hätten sich schon vor der Pandemie in Schwierigkeiten befunden. „Durch die Vielzahl staatlicher Hilfen während der Pandemie und des Ukrainekriegs wurde bei diesen Unternehmen der Eintritt in die Insolvenz nur aufgehalten.“

 

Mehr Betriebe geben Gewerbe auf

Indessen gaben in der ersten Hälfte des laufenden Jahres mehr größere Betriebe in Deutschland ihr Gewerbe auf als ein Jahr zuvor, darunter auch mehrere Modehändler wie P&C. 50.600 Aufgaben bedeuteten eine Steigerung von 12,4 Prozent im Vergleich zum ersten Halbjahr 2022, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Gleichzeitig wurden 62.700 neue Betriebe gegründet, deren Rechtsform oder Beschäftigtenzahl auf eine größere wirtschaftliche Bedeutung schließen lassen.

Einschließlich der Kleinbetriebe und Nebenerwerbe lag die Zahl der Gewerbe-Neugründungen mit 317.600 um gut zehn Prozent über dem Vergleichswert aus dem Vorjahr – besonders im Software-Bereich, wie diese Auswertung erkennen lässt. Vollständig aufgegeben wurden in den ersten sechs Monaten des Jahres 246.500 Gewerbe. Das waren sogar 14 Prozent mehr als in der ersten Jahreshälfte 2022.

Schon am Donnerstag hatte das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) hohe Insolvenz-Zahlen für den Juli festgestellt, die über dem mittelfristigen Schnitt für den Monat lagen. Im Zuge der Insolvenzen waren demnach allein bei den größten zehn Prozent der Firmen rund 9300 Arbeitsplätze betroffen, vor allem in Industrie und Handel. Die jüngsten hohen Zahlen markierten das vorläufige Ende des Anstiegs bei den Insolvenzen, glaubt IWH- Insolvenzexperte Steffen Müller. „Für die Monate August und September erwarten wir keinen wesentlichen Anstieg der Insolvenzzahlen.“

Der Kreditversicherer Allianz Trade erwartet nach früheren Angaben einen deutlichen Anstieg der Firmenpleiten in diesem Jahr um 22 Prozent. So seien Geldhäuser im Zuge der Bankenturbulenzen im Frühjahr restriktiver bei der Kreditvergabe geworden. Eine Pleitewelle sah aber auch Allianz Trade nicht. Die Fallzahlen dürften fünf Prozent unter dem Niveau von vor der Pandemie 2019 bleiben.