Finanzwesen

Zahl der Großinsolvenzen zieht stark an – vor allem in einer Branche

33 Pleiten im dritten Quartal

33 deutsche Unternehmen mit mindestens 20 Millionen Euro Umsatz haben in den vergangenen drei Monaten Insolvenz angemeldet. Das sind 74 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Damit gibt es jetzt schon mehr Großinsolvenzen als im gesamten Jahr 2021.
 
 

 

Während BMW , Mercedes-Benz und Volkswagen in diesem Jahr Milliardengewinne einfahren, sieht es bei Dr. Schneider in Kronach im Nordosten Bayern dunkel aus. Anfang September musste der Zulieferer Insolvenz anmelden. Belüftungssysteme, Blenden, Mittelkonsolen und Ablagesysteme für das Innere des Autos werden hier hergestellt, doch seit der Corona-Pandemie stockt die Produktion immer wieder. Bestimmte Komponenten könnten immer wieder nicht geliefert werden, die hohen Preise für Rohstoffe und Energie drücken auf die Bilanz. Zwar hatte die Unternehmensführung Anfang des Jahres einen Sanierungsplan vorgelegt, doch Anfang September ging das Geld aus. Mit der Insolvenz soll sich jetzt ein Investor finden.

Dr. Schneider mit seinen 431 Millionen Euro Jahresumsatz und 4500 Mitarbeitern ist die größte Unternehmensinsolvenz, die Deutschland im dritten Quartal erlebt hat. Insgesamt ging die Zahl der Großinsolvenzen von Unternehmen mit mindestens 20 Millionen Euro Umsatz deutlich nach oben. 33 Anmeldungen gab es zwischen Juli und September. Das sind 74 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Allerdings lässt sich daraus alleine kein Trend ablesen. Gingen im ersten Quartal 2022 auch 33 Großinsolvenzen bei den Amtsgerichten ein, waren es zwischen April und Juni nur 19 – eine Achterbahnfahrt.


Staat hält viele Unternehmen am Leben

„Der Anstieg jetzt ist erwartbar, jedoch fällt er nicht so hoch aus, wie Anfang des Jahres von dem ein oder anderen erwartet“, sagt Jonas Eckhardt. Er analysiert die Großinsolvenzen für die Unternehmensberatung Falkensteg einmal im Quartal. Er rechnet bis Jahresende mit rund 130 Großpleiten. Das wären 71 Prozent mehr als im Vorjahr, würde aber deutlich unter dem Rekordwert von 2020 bleiben. Im ersten Corona-Jahr meldeten 181 Großunternehmen Insolvenz an. Verglichen mit dem letzten Vor-Corona-Jahr 2019 würde die Zahl der Großinsolvenzen dieses Jahr nur leicht ansteigen.

Wie schon im vergangenen Jahr sorgt auch dieses Mal der Staat dafür, dass die Pleiten nicht zu weit ansteigen. War es damals vor allem die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht, die die Pleitewelle bremste, sind es diesmal staatliche Hilfsmaßnahmen über die Entlastungspakete. Im kommenden Jahr greift der Staat mit Gas- und Strompreisbremse Unternehmen dann erneut unter die Arme. Das ist Fluch und Segen zugleich. Auf der einen Seite verhindern staatliche Hilfen, dass Unternehmen in die Insolvenz rutschen, die nur auf Grund äußerer Umstände wie eben der Pandemie oder des Ukraine-Krieges überhaupt in Schwierigkeiten sind. Auf der anderen Seite haben sich „durch die Hilfeleistungen die so genannten Zombieunternehmen deutlich vermehrt“, sagt Eckhardt.

Zombie-Unternehmen sind solche, die auch ohne externe Krise insolvent wären und nur von staatlichen Hilfsmaßnahmen am Leben erhalten werden. Das volkswirtschaftliche Problem dabei: Zombie-Unternehmen ohne reelle Überlebenschance binden Arbeitskräfte, die in gesunden Unternehmen produktiver arbeiten könnten. „Seit neuestem zählen Ressourcen insbesondere auch die von diesen Unternehmen ohne echten volkswirtschaftlichen Mehrwert verbrauchte Energie“, sagt Eckhardt.

Autozulieferer mit meisten Pleiten im Quartal

Dr. Schneider wird mit großer Sicherheit nicht zu dieser Kategorie von Unternehmen gehören. Insolvenzverwalter Joachim Exner sieht gute Chancen, den Autozulieferer zu sanieren. Entweder müsste dazu ein externer Investor einsteigen oder die Gläubiger einem Insolvenzplan zustimmen. Während das bayrische Unternehmen eine Regelinsolvenz absolviert, nutzen die drei nächst größten Insolvenzfälle das Schutzschirmverfahren. Das ist anwendbar, wenn ein Unternehmen zwar eine Zahlungsunfähigkeit absehen kann, sie aber noch nicht eingetreten ist. In diesem Fall darf sich die Firma den Insolvenzverwalter selbst suchen und einen Insolvenzplan ausarbeiten.

Zu den größten Schutzschirmfällen in diesem Quartal gehören die Schuhhandelskette Ludwig Görtz (198,8 Millionen Euro Umsatz), der Maschinenbauer Dücker Group (90 Millionen Euro) und die Einzelhandelskette SuperBioMarkt (81 Millionen Euro Umsatz).

Nach Branchen aufgedröselt, gibt es unter den Großinsolvenzen in diesem Quartal keinen klaren Anführer. Autozulieferer meldeten sieben Insolvenzen an, gefolgt von Maschinenbauern und Firmen aus der Nahrungsmittelbranche (je 5), Metall- und Kunststofffirmen (je 4).

 

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