Finanzwesen

Warum vielen deutschen Unternehmen die Pleite droht

 

2. Angst vor Zombie-Unternehmen

Staatshilfen, Kurzarbeit und die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht sind keine Lösungen auf Dauer. Wirtschaftsverbände und Unternehmen fordern deshalb Veränderungen im Insolvenzrecht. Es soll an die Ausnahmesituation durch Corona angepasst werden. Eric Schweitzer, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), ist überzeugt: Viele Firmen könnten mit rechtzeitigen Sanierungsmaßnahmen, die weit vor einem Insolvenzverfahren greifen, gerettet werden, aber: „Bislang ist das Insolvenzrecht hierauf nicht gut eingestellt.“

Wirtschaftsvertreter werfen der Bundesregierung vor, der Bedrohung planlos gegenüberzustehen. „Eine riesige Insolvenzwelle rast im Herbst auf uns zu, wenn der Gesetzgeber nicht rechtzeitig aktiv wird“, warnt Reinhold von Eben-Worlée, Präsident des Verbands „Die Familienunternehmer“. „Alle Alarmglocken sollten schrillen. Das Insolvenzrecht muss angepasst werden.“

Dass die Bundesregierung das Aussetzen der Pflicht zur Insolvenzanmeldung über den 30. September hinaus verlängert, ist eine naheliegende Option. Eine Entscheidung über die Fortführung der Regelung werde „unter Berücksichtigung aller relevanten Gesichtspunkte rechtzeitig getroffen werden“, heißt es aus dem Bundesjustizministerium.

Doch Insolvenzrechtler zeigen sich skeptisch. Die Gesetzesänderung sei wichtig und richtig, aber nur eine Beruhigungspille, sagt Lucas Flöther. Er ist Vorsitzender des Gravenbrucher Kreises, der Vereinigung der wichtigsten Sanierungsexperten in Deutschland. Einen Namen machte er sich unter anderem als Insolvenzverwalter von Air Berlin. Flöther meint: Die Antragspflicht sei aus gutem Grund nur begrenzt ausgesetzt worden. Es dürften keine „Unternehmenszombies“ am Leben erhalten werden.

Und in diese Kategorie gehören allein in der Euro-Zone laut Euler Hermes circa 13.000 Firmen mit Umsätzen von rund 500 Milliarden Euro. Für viele, „die sich durch die anhaltende Niedrigzinsphase gerade noch über Wasser halten konnten, wird die Luft jetzt sehr dünn“, so Deutschlandchef van het Hof.

Das gilt zum Beispiel für den Felgenbauer BBS aus dem Schwarzwald, der Mitte Juli Insolvenz anmeldete. Für das Unternehmen, auf dessen Felgen einst Michael Schumacher zu Rennsiegen fuhr, ist es bereits der dritte Insolvenzantrag nach 2007 und 2010. Einmal lag es an der Finanzkrise, einmal an hohen Aluminiumpreisen, nun soll Corona schuld sein.

Auch Arndt Geiwitz, der als Insolvenzverwalter von Schlecker bekannt wurde und gerade bei Galeria Karstadt Kaufhof als Generalbevollmächtigter im Einsatz ist, hält eine Verlängerung der bestehenden Ausnahmeregelung nur bei Überschuldung für angebracht. Ein Unternehmen, das zahlungsunfähig sei, könne nicht überleben, die Situation sei für alle unzumutbar, so Geiwitz im Handelsblatt-Interview: „Ich vergleiche das gern mit einem Patienten, der ein Raucherbein hat. Der Arzt kann ihm immer wieder Morphium verschreiben, aber das wird ihn nicht heilen. Helfen kann nur die Amputation.“

Er verweist auch darauf, dass schon das bestehende Gesetz angeschlagenen Unternehmen gute Möglichkeiten bietet, wieder auf die Beine zu kommen. Etwa das 2012 von der Bundesregierung verabschiedete „Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen“, kurz ESUG.

Mit dem Gesetz wurden zwei neue Wege zur Rettung von Unternehmen eröffnet: die Insolvenz in Eigenverwaltung und das Schutzschirmverfahren. Beide sollen ermöglichen, dass Firmen in Not nicht zur Verwertung an den Insolvenzverwalter übergeben werden müssen, sondern die Sanierung zunächst mit dem bestehenden Management erfolgen kann.