Finanzwesen

SanInsFoG

Bereits in 2016 hatte die Europäische Kommission einen Vorschlag für eine „Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über präventive Restrukturierungsrahmen, die zweite Chance und Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie 2012/30/EU“ oder kurz: „EU- Restrukturierungsrichtlinie“ vorgelegt, der helfen sollte, endgültig die Folgen der Finanzkrise 2008/2009 zu bewältigen. Nach intensiver Diskussion in den europäischen Gremien ist die Richtlinie im Juli 2019 in Kraft getreten.

Mit ihrer zuletzt vor dem Hintergrund der Corona- Pandemie rekordverdächtig beschleunigten Umsetzung in nationales Recht – zwischen dem ersten Entwurf des Justizministeriums vom 18. September 2020 und dem Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Januar 2021 lagen nicht einmal 4 Monate – wurde nun auch in Deutschland ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren implementiert.

Die detaillierten Regelungen hierzu finden sich im Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG), welches als Artikel 1 den umfangreichsten Teil des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) ausmacht.

Die inhaltliche Ausgestaltung des Sanierungsverfahrens im StaRUG lehnt sich stark an die Regelungen zum Insolvenzplanverfahren an. Auch hier ist ein (Restrukturierungs-) Plan zu erstellen, dessen inhaltliche Ausgestaltung den §§ 5 ff. StaRUG folgen muss. Einige Rechtsverhältnisse sind der Gestaltung im Rahmen eines solchen Plans allerdings nicht zugänglich. Wichtigstes Beispiel: Forderungen von Arbeitnehmern (§ 4 StaRUG). Fallengelassen wurde auch die ursprünglich vorgesehene Möglichkeit, sich im Rahmen des Sanierungsverfahrens bestehender vertraglicher Verpflichtungen aus gegenseitigen Verträgen in der Zukunft, insbesondere auch solcher aus Dauerschuldverhältnissen entledigen zu können.

Wie im Insolvenzplanverfahren werden auch im Restrukturierungsplan die Gläubiger in Gruppen eingeteilt, § 9 StaRUG, in denen dann auch jeweils gesondert abgestimmt wird. Anders als dort kann sich der Restrukturierungplan aber auf die für das Gelingen der Sanierung wichtigen Gläubiger beschränken, § 8 Ziff. 2 StaRUG. Angenommen ist der Plan, wenn ihm in den jeweiligen Gruppen mit drei Vierteln der Stimmrechte zugestimmt wird, § 25 StaRUG. Wie im Insolvenzplanverfahren können jedoch auch hier den Plan ablehnende Gruppen überstimmt werden, wenn dieser am Ende eine den Voraussetzungen des § 26 StaRUG entsprechende gruppenübergreifende Mehrheit erreicht (sog. Cramdown).

Führt der Schuldner das Verfahren ohne richterliche Hilfe durch, kann er den Plan den hiervon betroffenen Gläubigern zunächst in Textform zugänglich machen (ausreichend also auch per E-Mail) und diesen eine Annahmefrist von mindestens 14 Tagen setzen. Wenn den Betroffenen nicht zuvor Gelegenheit zur gemeinschaftlichen Erörterung des Plans gegeben wurde, muss dabei der Hinweis enthalten sein, dass auf Antrag eines Gläubigers ein Erörterungstermin abgehalten wird, § 17 Abs. 3 StaRUG. Nach § 20 StaRUG kann der Schuldner aber auch von vornherein eine Abstimmung im Rahmen einer Versammlung der Planbetroffenen vorsehen.

Muss der Schuldner damit rechnen, dass einzelne Planbetroffene nicht mitmachen werden, wird er schon aus Gründen der Rechtssicherheit regelmäßig von der Möglichkeit nach § 23 StaRUG Gebrauch machen, über den Plan in einem gerichtlichen Verfahren abstimmen zu lassen.

Der Einleitung eines solchen Verfahrens bedarf es auch dann, wenn der Schuldner andere „Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens“ (§ 29 StaRUG) in Anspruch nehmen will. Dies wird regelmäßig insbesondere dann der Fall sein, wenn beabsichtigt ist, mittels des Erlasses einer Stabilisierungsanordnung nach § 49 StaRUG eine Vollstreckungs- und/oder Verwertungssperre zu erlangen.

Für betroffene Gläubiger bedeutet dies, dass sie bestehende Forderungen einstweilen nicht mehr durchsetzen können und dass ihnen sogar die Durchsetzung wichtiger Sicherungsrechte vorläufig verboten werden kann, was namentlich vor allem den einfachen und verlängerten Eigentumsvorbehalt betrifft. Gemäß § 55 StaRUG ist dem Gläubiger, wenn der Schuldner für die Fortführung des Unternehmens auf seine Leistung angewiesen ist, in diesem Fall sowohl eine Leistungsverweigerung als auch eine Kündigung oder Vertragsänderung unter Berufung auf den Zahlungsverzug des Schuldners verwehrt. Vorleistungspflichtigen Gläubigern wird in diesen Fällen aber zumindest durch § 55 Abs. 3 StaRUG in gewissem Umfange Schutz gewährt. Sie dürfen Sicherheiten verlangen oder darauf bestehen, die Leistung nur Zug um Zug zu erbringen. Darlehen und andere Kreditzusagen, die noch nicht zur Auszahlung gelangt sind, dürfen unter Berufung auf eine Verschlechterung der Vermögensverhältnisse gekündigt werden.

Wie in der EU-Richtlinie vorgesehen, kann der Schuldner das Verfahren grundsätzlich in Eigenregie betreiben. Allerdings kann – und dies wird schon wegen der Kompliziertheit des Verfahrens wohl zukünftig den Regelfall darstellen – auf Antrag des Schuldners durch das Gericht ein Restrukturierungsbeauftragter bestellt werden: in einer Vielzahl von Konstellationen, die in § 73 StaRUG aufgezählt sind, muss diese Bestellung durch das Gericht sogar von Amts wegen erfolgen. Die Bestellung kann schließlich auch auf Antrag von Gläubigern erfolgen, wenn diese in einer Gruppe mehr als 25 % der Stimmrechte halten und sich zur Übernahme der Kosten verpflichten.

Die Aufgaben eines zwingend einzusetzenden Restrukturierungsbeauftragten gemäß § 76 StaRUG ähneln denen des Sachwalters in der Insolvenz in Eigenverwaltung. Der fakultativ eingesetzte Restrukturierungsbeauftragte hat hingegen lediglich die Aufgabe die Beteiligten bei der Ausarbeitung von Sanierungskonzept und -plan zu unterstützen, § 79 StaRUG. Auch die Vergütung des Restrukturierungsbeauftragten ist im StaRUG geregelt. Danach erhält er ein Honorar nach Zeitaufwand, welches im Regelfall € 350/h beträgt und kann die Zuarbeit qualifizierter Mitarbeiter mit bis zu € 200/h abrechnen, § 81 StaRUG.

Für Verfahren mit besonderer Bedeutung sieht § 93 StaRUG vor, dass das Gericht in Anlehnung an die Regelungen im Insolvenzrecht einen Gläubigerbeirat einrichten kann.

In den §§ 94 ff. StaRUG finden sich schließlich noch Regelungen zur sogenannten Sanierungsmoderation. Diese bietet sich an, wenn für eine einvernehmliche Lösung mit sämtlichen von der Sanierung betroffenen Gläubigern gute Chancen bestehen. Hierbei wird vom Gericht ein Sanierungsmoderator bestellt, der zwischen den Beteiligten vermittelt. Der Konzeption nach endet das Verfahren entweder mit dem Abschluss eines Sanierungsvergleichs, der auf Antrag des Schuldners durch das Restrukturierungsgericht bestätigt wird – § 97 StaRUG – oder es erfolgt gemäß § 100 StaRUG ein Übergang in den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen und damit in ein Restrukturierungsverfahren unter gerichtlicher Leitung.

Zuständiges Gericht für die Durchführung von Restrukturierungsverfahren ist nach §§ 34, 35 StaRUG das Amtsgericht, welches (auch) für Insolvenzverfahren an dem Ort zuständig ist, an dem das für den Sitz des Schuldners oder den Ort des Mittelpunkts seiner wirtschaftlichen Tätigkeit zuständige Oberlandesgericht seinen Sitz hat.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Gläubiger ähnlich massiv durch ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren betroffen sein können, wie im Falle einer Insolvenz ihres Vertragspartners. Auch wenn sie die Sanierungsbemühungen unterstützen wollen, sollten Sie unbedingt im Auge behalten, dass sich bei Scheitern der Sanierung ein Insolvenzverfahren anschließen kann, so dass in jedem Falle auch die Gefahr einer späteren Insolvenzanfechtung im Auge behalten werden muss. §§ 89 und 90 StaRUG gewähren nur sehr eingeschränkten Schutz vor der Anfechtung von Rechtshandlungen im Verlaufe des Sanierungsverfahrens und im Rahmen der Erfüllung des Restrukturierungsplans. Bei Geschäften mit dem Schuldner während eines laufenden Sanierungsverfahrens ist daher die Sicherstellung der Einhaltung der Voraussetzungen von Bargeschäften im Sinne des § 142 InsO unbedingtes Gebot. Oftmals wird es hierfür des Instrumentariums aus § 55 StaRUG bedürfen. Der Anfechtungsschutz betreffend Rechtshandlungen im Rahmen der Planerfüllung setzt einen gerichtlich festgestellten Plan voraus.

Die Tücke liegt bei diesen Fragen oft im Detail. So kann beispielsweise die Verweigerung weiterer Leistungserbringung unter Berufung auf § 55 Abs. 2 StaRUG mit erheblichen Schadenersatzforderungen des Schuldners einhergehen, wenn es dem Gläubiger nicht gelingt, das Vorliegen der Voraussetzungen der Vorschrift zu beweisen. Beim Umgang mit Schuldnern, die ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren betreiben, sollte daher auf keinen Fall am falschen Ende gespart, sondern unbedingt auf die Beiziehung juristischen Sachverstands geachtet werden.

Dieser Beitrag wurde verfasst von:
RA Lutz Paschen
PASCHEN Rechtsanwälte PartGmbB