Finanzwesen

Pleite der großen Marken – was die Insolvenzen für Ihr Geld bedeuten

Erst die Corona-Krise, dann steigende Energiekosten und jetzt die hohe Inflation. Viele deutsche Textil- und Schuhhändler geraten in finanzielle Schwierigkeiten. Insolvenzen und Restrukturierungen sind die Folge. Seit Jahresbeginn haben bereits 89 Unternehmen Insolvenz angemeldet. FOCUS online erklärt, was das für den Geldbeutel bedeutet.

 

Im Sporthandel überschlagen sich derzeit die Ereignisse. In der Vorwoche verweigerte zunächst die Muttergesellschaft Signa Holding ihrer Tochter Signa Sport eine Finanzspritze von 150 Millionen Euro. Dann meldete das erste Unternehmen der Signa Sport, der Sportausrüster Tennispoint, Insolvenz an. Dem Vernehmen nach lief die Tennissparte zwar besonders gut, rund ein Drittel des Umsatzes von Signa Sport wurde mit der Tochter Tennispoint erzielt. Der Gesamtumsatz brach allerdings um knapp 17 Prozent ein. Zum vorläufigen Insolvenzverwalter hat das Amtsgericht Bielefeld den auf den Einzelhandel spezialisierten Sanierungsexperten Christian Gerloff bestellt. Tennispoint betreibt neben dem Onlinehandel auch viele Filialen.

Die Kundinnen und Kunden müssen nun mit Einschränkungen rechnen. Zunächst wird das Retouren- und Gutscheingeschäft eingestellt. Betroffene Haushalte müssen ihre Retouren und Gutscheine gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend machen. Lehnt dieser den Nacherfüllungs- oder Schadensersatzanspruch ab, bleibt den Betroffenen nur die Möglichkeit, ihre Forderung als Schadensersatzanspruch zur Insolvenztabelle anzumelden.

Nicht nur Tennispoint ist betroffen. Auch anderen Firmen der Signa Sport droht die Pleitewelle. Nachdem die Finanzhilfe ausbleibt, steht der gesamten Signal Sport die Insolvenz bevor. Betroffen wären die Spartensporthändler Campz, der britische Fahrrad-Onlinehändler Wiggle und bekannte Marken wie Fahrrad.de und Brügelmann. Auf den Online-Seiten der Händler erfahren Haushalte, dass „aktuell keine Retouren abgewickelt werden“ können. Die Signa-Gruppe gehört dem Selfmade-Milliardär René Benko, dem auch die Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof gehört.

 

Verband warnt vor Pleitewelle wegen Rückzahlung der Corona-Hilfen

Für die nahe Zukunft befürchtet der Handelsverband Textil, Schuhe, Lederwaren (BTE) weitere Insolvenzen und Betriebsschließungen. Verantwortlich dafür sind die anstehenden und möglichen Rückzahlungen der Corona-Hilfen. Neben den KfW-Krediten sind das die sogenannten Überbrückungshilfen (ÜBH), mit denen die hohen Umsatzeinbußen des stationären Bekleidungseinzelhandels durch die coronabedingten Filialschließungen in den Jahren 2020 und 2021 ausgeglichen werden sollten. „Insbesondere die Überbrückungshilfe III konnte zumindest einen Teil der Einbußen kompensieren und damit die Existenz vieler Unternehmen retten“, so der BTE in einer Stellungnahme.

 

Wie geht es bei einer Insolvenz für die Firma weiter?

In der Regel stellt ein Unternehmen selbst einen Insolvenzantrag beim zuständigen Gericht. Auch die Gläubiger des insolventen Unternehmens können einen Insolvenzantrag stellen. Das Gericht setzt dann einen Insolvenzverwalter ein. Dieser verschafft sich einen Überblick über die aktuelle finanzielle Situation des Unternehmens. Danach wird entschieden, ob das Unternehmen fortgeführt wird und ob eine Restrukturierung stattfindet. Dabei kann das Filialnetz verkleinert und das Sortiment eingeschränkt werden. Ziel ist in der Regel der Verkauf des Unternehmens. So können zumindest die Geschäfte fortgeführt und die Mitarbeiter weiterbeschäftigt werden. Die vor der Insolvenz ausstehenden Löhne und Gehälter werden von der Bundesagentur für Arbeit übernommen. Allerdings benötigt es dafür einen Antrag.

 

Was passiert mit Rücksendungen oder kaputten Bestellungen?

Wenn sich Haushalte in der unglücklichen Situation befinden, mangelhafte Ware von einem insolventen Händler erhalten zu haben, stehen sie vor einer rechtlichen Herausforderung. Sie müssen nun ihre Nacherfüllungsansprüche gegenüber dem Sanierungsexperten geltend machen. „In dieser heiklen Situation liegt die Entscheidungsgewalt darüber, ob ihre Nacherfüllungsansprüche erfüllt werden oder nicht, beim Insolvenzverwalter“, schreibt die Verbraucherzentrale Bundesverband. Lehnt dieser die Erfüllung ab, stehen Kundinnen und Kunden vor einer weiteren Hürde: Sie müssen ihre Forderungen als Schadensersatzansprüche zur Insolvenztabelle anmelden. Dies kann kompliziert und langwierig sein, da es in Insolvenzverfahren oft viele Gläubiger gibt und nur begrenzte Mittel zur Verfügung stehen. Dennoch ist es wichtig, in dieser Situation die notwendigen Schritte einzuleiten, um mögliche finanzielle Verluste zu vermeiden.

FOCUS online rät Betroffenen , die Produkte über den Zahlungsdienstleister PayPal bezahlt haben, den Käuferschutz zu aktivieren. In diesem Fall wird der Fall von PayPal überprüft, und der Zahlungs-Dienstleister erstattet den entsprechenden Betrag zurück.

 

Was passiert mit meinen Bestellungen?

„Wenn Sie eine Ware im Voraus bezahlt oder eine Anzahlung geleistet haben und Ihr Händler insolvent wird, kann der Insolvenzverwalter entscheiden, ob er das Geschäft abwickelt“, erklärt der Verbraucherzentrale Bundesverband. Lehnt der Insolvenzverwalter ab, können Sie Ihre Forderung auf Rückzahlung nur noch zur Insolvenztabelle anmelden.

 

Was gilt für Gutscheine?

Auch hier droht Haushalten eine Einschränkung. Gutscheine fließen in die Insolvenzmasse. Ansprüche müssen Kundinnen und Kunden gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend machen. FOCUS online rät: Versuchen Sie es in den Filialen. Oft ist es dort noch möglich, Gutscheine einzulösen. Üblicherweise wird neben der Retoure auch die Gutscheinoption online deaktiviert.

 

Muss ich meine Raten weiterbezahlen?

Selbst wenn der Händler insolvent wird, müssen Sie Raten für bereits gelieferte Waren weiterhin bezahlen. Das gilt insbesondere, wenn Sie die Waren auf Rechnung gekauft haben. In solchen Fällen bleibt die Grundregel unverändert: Erhaltene Ware muss bezahlt werden. Die Insolvenz des Händlers entbindet Kundinnen und Kunden nicht von Ihrer Zahlungspflicht gegenüber dem Lieferanten oder Verkäufer.

 

Das ist die große Pleite-Liste: Wie geht es den Unternehmen heute?

Ahlers AG

Ahlers hatte im April für die Ahlers AG und sieben Tochtergesellschaften wegen drohender Zahlungsunfähigkeit Insolvenzanträge gestellt. Die Folgen der Corona-Pandemie und der damit einhergehenden gestörten Lieferketten, die allgemeine Kaufzurückhaltung, die hohe Inflation sowie Insolvenzen im Handel hätten den Schritt unausweichlich gemacht, hieß es damals. Der Modehändler Röther übernahm im Juli große Teile des Herrenmodeherstellers, darunter auch die Marken Baldessarini, Pierre Cardin, Pioneer Jeans und Pionier Berufskleidung.

 

Galeria Kaufhof Karstadt

Galeria Karstadt Kaufhof meldete mit einem Jahresumsatz von 1,85 Milliarden Euro (Daten aus dem Jahr 2021) die größte Insolvenz der Branche an. Im ersten Quartal des Jahres stimmten die Gläubiger der insolventen Warenhauskette einem Insolvenzplan zu und verzichteten auf Forderungen von über einer Milliarde Euro. Ende Mai wurde das Insolvenzverfahren aufgehoben. Bis Ende Januar 2024 sollen 41 der 129 Filialen geschlossen werden.

 

Gerry Weber

Die Gerry Weber International AG hatte im April beim Essener Amtsgericht die Einleitung eines Sanierungsverfahrens nach dem Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) beantragt. Die Gläubiger des Modeherstellers Gerry Weber gaben im August grünes Licht für die Sanierung des angeschlagenen Unternehmens. Das Unternehmen trennt sich von 122 Filialen und gut 350 Angestellten. Am Ende blieben 49 Stores übrig.

 

Görtz

Schuhhändler Görtz hatte im September 2022 ein Schutzschirmverfahren beantragt. Im Zuge des Verfahrens wurde bekannt, dass das Filialnetz von Görtz von ehemals 160 Filialen auf rund 40 reduziert werden soll. Zudem übernimmt die CK Technology Solutions GmbH die Geschäfte des Schuhhändlers. Hinter dem Investor steht der Polospieler und Kaufmann Bolko Kissling.

 

Hallhuber

Nur zwei Jahre nach der letzten Insolvenz hat Hallhuber Ende Mai Insolvenz in Eigenverwaltung angemeldet. Bis Ende Oktober 2023 schließen bundesweit alle Filialen. Betroffen sind 98 Filialen in Deutschland, elf in Österreich und drei in der Schweiz. Die Insolvenzverwalter suchen seit Juli nach einem Investor – bisher vergeblich.

 

Pölking / P.S. Schuhe

Bei Pölking stand eine Umstrukturierung an. Einige Filialen wurden von der insolventen Tochtergesellschaft P.S. Schuhe übernommen. Diese wiederum schloss Ende September acht Filialen. Betroffen waren Filialen in Bremen, Gütersloh, Recke bei Ibbenbüren, Tecklenburg bei Osnabrück und Varel am Jadebusen. Die Gläubigerversammlung stimmte zu, dass Pölting vier Filialen des Filialisten P.S. Schuhe übernimmt, den die Pölting-Schwester Lemax Shoe-Fashion betreibt.

 

Reno

Auch der Schuhriese Reno musste Insolvenz anmelden. Hier ist die Lage allerdings prekär, wie Branchendienste berichten. Viele Filialen haben bereits Räumungsverkäufe durchgeführt, weil sie so defizitär sind, dass nicht einmal Stromrechnungen und Mieten bezahlt werden können. Die Insolvenzverwalter stehen vor einer schwierigen Aufgabe. Die Forderungen der Gläubiger haben sich in kurzer Zeit verdreifacht. Ziel ist es, möglichst viele der 180 Reno-Filialen zu verkaufen. Bisher hat die Kienast-Gruppe nur wenige Filialen übernommen. Das Unternehmen betreibt die Reno-Konkurrenten ABC Schuhcenter, K+K Schuhcenter und Schuhpark.

 

TK Fashion

Die TK Fashion Group wurde 2014 gegründet. Sie betreibt unter anderem die Handelskette Lieblingsplatz mit einem Online-Shop und mehreren Filialen in Nordrhein-Westfalen. Ende Februar musste das Unternehmen einen Insolvenzantrag stellen. Fünf Monate später stimmten die Gläubiger dem Insolvenzplan des Sanierungsexperten Biner Bähr von White & Case Partners zu. Von den ehemals 22 Filialen bleiben 17 erhalten.