Finanzwesen

Gerry Weber muss saniert werden und verlässt die Börse

 
Der Modekonzern Gerry Weber muss saniert werden – schon wieder. Bereits 2019 hatte er eine Insolvenz durchlaufen. Die wird diesmal nur für das Filialnetz angemeldet. Doch die Aktionäre verlieren Geld.
 
 
 
 
Der Modehersteller Gerry Weber steckt gut drei Jahre nach dem erfolgreichen Abschluss seines Insolvenzverfahrens wieder in der Krise. Die Gerry Weber International AG teilt mit, sie habe beim Essener Amtsgericht die Einleitung eines Verfahrens nach dem Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) beantragt, um den finanziellen Sanierungsprozess des Unternehmens zu beschleunigen. Ziel des StaRUG-Verfahrens ist es, dass Unternehmer ihren Betrieb sanieren können, ohne ein Insolvenzverfahren durchlaufen zu müssen.
 
»Teil des Vorhabens soll ein vollständiger Kapitalschnitt sein, wodurch auch die Börsennotierung der Aktie der Gerry Weber International AG erlöschen würde«, heißt es in der Mitteilung. Parallel dazu soll das deutsche Einzelhandelsgeschäft der Gerry Weber Retail GmbH mithilfe eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung restrukturiert werden.

Die erst 2019 eingestiegenen Finanzinvestoren Robus, Whitebox und JPMorgan verlieren beim StaRUG-Verfahren ebenso ihren Einsatz wie die Kleinaktionäre. Das Unternehmen verlässt dabei die Börse. Zuletzt hatte der Autozulieferer Leoni als eines der ersten und bisher größtes Unternehmen das StaRUG genutzt. Auch dort verlieren die Aktionäre ihr Geld.

Das Großhandelsgeschäft von Gerry Weber, der E-Commerce und auch das Auslandsgeschäft seien von den Maßnahmen nicht betroffen, betonte Finanzvorstand Florian Frank. Die Lieferfähigkeit bleibe vollständig gewährleistet und auch der Geschäftsbetrieb laufe in vollem Umfang weiter.

Für das in der Tochterfirma Gerry Weber Retail gebündelte Filialnetz in Deutschland dagegen meldet der Vorstand beim Amtsgericht Bielefeld Insolvenz am. Filialschließungen stehen schon in den nächsten drei Monaten bevor.

 

Corona, Ukrainekrieg, Inflation

»Das Sanierungsvorhaben ist eine notwendige Reaktion auf die äußeren Umstände«, sagte die Chefin von Gerry Weber International, Angelika Schindler-Obenhaus. Das Einzelhandelsgeschäft müsse insgesamt neu ausgerichtet werden. »Hierfür wollen wir das Filialnetz der Zukunft bauen. Denn wir glauben fest an die Filiale. Gleichzeitig müssen wir heute jeden Quadratmeter Fläche auf den Prüfstand stellen«, sagte die Managerin. Gerry Weber werde sich auf den gesunden Kern konzentrieren und das Großhandelsgeschäft, den E-Commerce und das Auslandsgeschäft weiter stärken.

Ausgelöst worden seien die aktuellen Probleme durch die coronabedingten Schließungen und durch den Ukrainekrieg, die hohe Inflation und die Veränderungen im Kundenverhalten, die durch die geringeren verfügbaren Realeinkommen ausgelöst wurden, hieß es in der Mitteilung des Unternehmens.

Gerry Weber beschäftigt weltweit 2100 Mitarbeiter. 2018 war das Unternehmen – damals noch mit einer Belegschaft von 3600 Mitarbeitern – nach einer jahrelangen rasanten Erweiterung des Filialnetzes und der Übernahme der Damenmodekette Hallhuber in die Pleite geschlittert. Damals waren die Gläubiger um Robus (39,5 Prozent) und Whitebox (38,5 Prozent) zu Eigentümern geworden. Aber schon vor einem Jahr hatten die Verluste in der Coronakrise das Eigenkapital zur Hälfte aufgezehrt.

 

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