Fliesenhersteller Steuler ist insolvent
Weil die steigenden Baupreise die Nachfrage nach Fliesen für Wände und Böden einbrechen lassen, hat der Fliesenhersteller Steuler eine Insolvenz in Eigenverwaltung beantragt. Der Betrieb läuft aber normal weiter. Insgesamt ist die Zahl der Insolvenzen im Juni deutlich gestiegen.
In den vergangenen Wochen sind Insolvenzen einer ganzen Reihe von Unternehmen bekannt geworden. Nun hat es auch den Fliesenhersteller Steuler getroffen, dessen schon in den vergangenen Monaten rückläufiger Umsatz im Juni drastisch eingebrochen ist. Das geht aus Pressemitteilungen von Steuler sowie des Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmens Ebner Stolz hervor, das die Fliesengruppe bei einer Insolvenz im Rahmen eines Eigenverwaltungsverfahrens begleitet. Die Berater und das Unternehmen arbeiten demnach an einer Restrukturierung, um die Phase der Insolvenz schnellstmöglich zu verlassen. Die Steuler Fliesengruppe beschäftigt 650 Mitarbeiter in Bremen, Bremerhaven, Mühlacker und Leisnig und ist nach eigenen Angaben einer der größten deutschen Hersteller von Fliesen für Wände und Fußböden. Sie gehört zum Steuler-Konzern, dessen andere Sparten Korrosionsschutz (Linings) und Anlagenbau nicht von der Fliesen-Insolvenz betroffen sind.
Der Fliesenhersteller leidet laut Ebner Stolz unter einer deutschlandweiten Baukrise, die in der Nachkriegszeit historisch einmalig sei. Auch in Europa seien die Märkte rückläufig. So sind wegen der Inflation und den höheren Zinsen für Immobilienkredite auch die Baukosten stark gestiegen. Zudem hätte das umstrittene Gebäudeenergiegesetz zu großer Verunsicherung geführt. Die Nachfrage nach neuen Fliesen für Gebäude sei dadurch stark gesunken.
Der Vorstand der Steuler Fliesengruppe hat daher beim Amtsgericht Bremen einen Antrag auf eine Insolvenz in Eigenverwaltung gestellt. Mit der angestrebten Restrukturierung soll in den kommenden Monaten der Fortbestand des Fliesenunternehmens und der Arbeitsplätze gesichert werden. Der Geschäftsbetrieb laufe normal weiter. Zum Generalbevollmächtigten wurde der Rechtsanwalt Jan Hendrik Groß von Ebner Stolz ernannt.
Alexander Lakos, Vorstand der Steuler Fliesengruppe, äußerte sich trotz allem zuversichtlich. Er gehe davon aus, dass es sich bei der Marktschwäche um einen vorübergehenden Zustand handele, da Deutschland deutlich mehr neuen Wohnraum brauche. „Auch die Energiepreise entwickeln sich unserer Einschätzung nach aktuell so, dass diese ab dem Jahr 2024 im Wettbewerb keine entscheidende Rolle mehr spielen werden“, sagte Lakos laut Pressemitteilung.
Insolvenzen führen meist zu Einschnitten
Neben der Insolvenz der Steuler Fliesengruppe sind in den vergangenen Wochen viele weitere teils gut bekannte Unternehmen insolvent gegangen, etwa der Modehändler Deerberg, der Küchenhersteller Störmer oder Römertopf, der Hersteller der bekannten Römertöpfe. Insolvenzen müssen nicht immer zum Ende des betroffenen Unternehmens führen. Doch ohne tiefe Einschnitte für Gläubiger oder Mitarbeiter geht es oft nicht. So muss der insolvente Delikatessenhändler Schlemmermeyer einen großen Teil seiner Filialen schließen.
Das alles sind keine Einzelfälle. Laut dem am Donnerstag veröffentlichten Insolvenztrend des Wirtschaftsforschungsinstituts IWH war die Zahl der Firmeninsolvenzen in Deutschland im Juni mit 1050 Fällen so hoch wie seit sieben Jahren nicht mehr. Das sei ein Anstieg von 48 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Zudem war laut IWH auch eine hohe Zahl an Arbeitsplätzen betroffen. Kürzlich hatte auch das Statistische Bundesamt einen Anstieg der Unternehmensinsolvenzen um mehr als 18 Prozent im ersten Quartal gemeldet. Von einer Insolvenzwelle wollen Fachleute trotzdem nicht sprechen, weil es sich bei dem Trend auch um eine Normalisierung des Insolvenzgeschehens handele. Denn während der Corona-Pandemie war die Zahl der Insolvenzen wegen mittlerweile ausgelaufener Staatshilfen und Ausnahmeregeln außergewöhnlich niedrig. Diese Zeiten sind nun vorbei.