IT, Marketing, Produktkommunikation

Wie künstliche Intelligenz die Unternehmenskommunikation verändert I Teil 3

Ein Endverbraucher muss sich nicht erst über seine Kommunikationsstrategie klar werden, bevor er Künstliche Intelligenz zu seinem Vorteil einsetzt. Er probiert einfach die neuen Tools oder Features aus, die ihm GAFA & Co. meist kostenfrei anbieten. Durch sein Smartphone ist er in der Lage, seine Kommunikation mit Unternehmen quasi auszulagern. Mit Google Duplex ist in den USA bereits heute ein digitaler Assistent für Konsumenten im Einsatz, der zur Terminvereinbarung beim Friseur oder Handwerker anruft oder im Restaurant einen Tisch reserviert. Endverbraucher nutzen also schon Künstliche Intelligenz, um zu kommunizieren. Dagegen haben viele Unternehmen in Sachen KI noch deutlichen Nachholbedarf. Es ist höchste Zeit, dies zu ändern.

Der Käufer ist schon da

Durch Technologien wie Text-Mining, gegebenenfalls in Verbindung mit Smart Speakern, vereinfacht der Verbraucher seine Recherche nach relevanten Informationen, die ihn privat oder beruflich interessieren. Wenn er etwa Google News nutzt, surft er nicht mehr auf einzelnen Medien- oder Unternehmensseiten. Die Zielgruppe wird mitunter so verwöhnt, dass sie selbst viel weniger recherchiert. Für Unternehmen und Medienhäuser bedeutet dies, dass es immer schwieriger wird, die Aufmerksamkeit der Zielgruppe weiterhin auf die eigenen Botschaften zu lenken. Endverbraucher können die Daten, die sie im Internet hinterlassen, sogar selbst sammeln und nutzen, um sie zum Beispiel über BitsaboutMe an werbetreibende Unternehmen zu verkaufen.

Und es sind nicht nur die Endverbraucher, die die klaren Vorteile der Künstlichen Intelligenz für sich nutzen. Auch die Einkaufsabteilungen rüsten auf. Bei der Suche nach geeigneten Lieferanten wird inzwischen nach weit mehr als nur nach den passenden Produktspezifikationen gesucht. Früher hat sich der Einkauf ggf. nur die Bilanz eines Zulieferers angeschaut. Inzwischen recherchieren, strukturieren und bewerten KIs die gesamten Rahmenbedingungen, die einem Unternehmen – auch auf den Druck seiner Kunden hin – wichtig sind: das Umweltbewusstsein des Zulieferers, seine Haltung zu Menschenrechten, politischen Themen und Sicherheitsaspekten bis hin zum Führungsstil auf Vorstandsebene.

Kauf- und Verkaufsverhalten

Es ist gar nicht lange her, da hat sich das Kaufverhalten von Einkaufsabteilungen und Endverbrauchern schon einmal grundlegend geändert: durch das Internet. In den vergangen 20 Jahren haben viele Unternehmen dadurch Marktanteile und Umsätze eingebüßt. Nicht wenige von ihnen sind sogar noch heute überrascht, dass ihre bisherigen Strategien und Inhalte nicht mehr funktionieren. Sie wollen nicht erkennen, dass das Internet mehr als nur eine Visitenkarte im Netz ist – es ist die Basis für eine nie zuvor gekannte Markttransparenz. Die ehemals markentreue Zielgruppe hat heute völlig andere Informations- und Recherchemöglichkeiten und eine viel größere Auswahl. Entsprechend ist eine tendenzielle Wechselwilligkeit an die Stelle alter Markenbindungen getreten. Den Unternehmen, die hier den Anschluss verpasst haben, war es zu viel Arbeit, Foren, Social Media und Bewertungen im Auge zu behalten und aktiv zu bespielen. Sie haben geglaubt, es aussitzen zu können, als GAFA & Co. die Auffindbarkeit ihrer Präsenzen und Informationen im Web beschnitten haben. Sie haben weder die Technologie Internet noch das Verhalten ihrer Zielgruppe ausreichend beobachtet und analysiert. Und sie haben nicht rechtzeitig auf das geänderte Kaufverhalten reagiert: mit einem geänderten Verkaufsverhalten. Angesichts des nächsten Paradigmenwechsels durch KI darf dies jetzt kein zweites Mal passieren.

Die zwei Herausforderungen der Künstlichen Intelligenz

Damit sich Unternehmen nicht erst mühsam auf ein geändertes Kundenverhalten einstellen müssen, sollten sie es kontinuierlich beobachten – und dieses Wissen mit den neuen eigenen strategischen und technologischen Möglichkeiten kombinieren. Denn es kommen gleich zwei Herausforderungen auf die Kommunikatoren in Sales, Service, Marketing und Unternehmenskommunikation zu. Nicht nur dass sie sich ausgiebig mit möglichen eigenen KI-Kommunikations-Szenarien beschäftigen müssen – zugleich sollten sie erforschen, welche Informationsbedürfnisse bestehen und welche Anwendungen ihre Zielgruppe schon jetzt oder in absehbarer Zukunft einsetzt. Zu wissen, nach was eine Lieferanten- oder eine Endverbraucher-KI sucht und wie sie es bewertet, ist schon der erste Schritt dahin, geeignete Antworten auf deren Fragen zu geben und bereitzustellen. Setze ich mich als Unternehmen nicht damit auseinander, was meine Zielgruppe an digitalen Informationen braucht, kann die großartigste KI-unterstützte Kampagne vollkommen ins Leere laufen.

Die Einsatzmöglichkeiten von KI in der Kommunikation

Künstliche Intelligenz verändert schon heute die Art und Weise, wie Unternehmen in ihrer Kommunikation arbeiten: Digitale, sprachgesteuerte Assistenten helfen, schneller an relevante Informationen zu kommen, Dinge zu bestellen oder sogar Fotos und Grafiken zu bearbeiten. Es gibt Funktionen wie Sprache-zu-Text, Text-zu-Sprache und sogar Text-zu-Video. Möglich sind Übersetzungen ganzer Word- oder PowerPoint-Dateien oder von Gesprächen, die automatisierte Bilderkennung und auch Texterstellung. Wiederkehrende Prozesse zu automatisieren, spart sehr viel Zeit und verbessert den Durchsatz und den Outcome in der Kommunikation enorm.

Künstliche Intelligenz kann aber nicht nur repetitive Arbeitsabläufe beschleunigen, sondern ganz neue Erkenntnisse bringen. Verschiedenste Aspekte lassen sich analysieren: zum Beispiel das Verhalten in Social Media, Stimmmuster, Gesichtsausdrücke oder auch Körpersignale wie Herz- und Atemfrequenz. Algorithmen können heute nicht nur herausfinden, was eine Person in einem bestimmten Moment will – sie erkennen auch, wie sie sich in diesem Moment fühlt oder wie sie ganz generell tickt. Mit diesem Wissen lässt sich nicht nur die spezifische Ansprache verändern, sondern auch das spezifische Angebotsportfolio bis hin zum individuellen Preis.

Ferne Zukunft war gestern

Schauen wir noch etwas weiter in die Zukunft, wird klar, dass die Nutzung Künstlicher Intelligenz auf Anbieter und Käufer-Seite nicht nur die Art und Weise, wie wir in Sales, Service, Marketing und Kommunikation arbeiten, verändert – einen Teil der Kommunikation wird KI komplett revolutionieren. Warum? Weil in Zukunft immer öfter Künstliche Intelligenzen auf der Anbieterseite direkt mit Künstlichen Intelligenzen auf der Nachfrageseite kommunizieren werden. Und KIs benötigen untereinander kein Chichi, keine schöne Website. Anders als wir lassen sie sich in ihrer Entscheidung nicht von psychologischen Effekten beeinflussen. Sie brauchen Daten, Zahlen und Fakten. Und diese in einer Tiefe, Breite und Geschwindigkeit, wie wir sie als Menschen weder verstehen noch schnell genug zur Verfügung stellen könnten. Die Voraussetzung für eine reibungslose Kommunikation zwischen KIs ist hier – noch viel mehr als heute – die Verfügbarkeit und Zugänglichkeit von richtigen, aktuellen und relevanten Daten.

Wer hofft, dadurch werde irgendein Kanal überflüssig, wird allerdings enttäuscht. Die letzten Jahrzehnte haben gezeigt, dass Kanäle und Technologien zwar zeitweise an Bedeutung verlieren können, aber nie ganz verschwinden. Auch Kommunikationskanäle sind Moden unterworfen, es gibt Wellenbewegungen. Aktuell und wohl noch für die nächsten zehn Jahre heißt die Monsterwelle Digitalisierung, Automatisierung und Künstliche Intelligenz. Die Komplexität nimmt dadurch aber nicht ab, sondern zu. Noch ein Grund, sich durch KI Hilfe zu holen.

Kommunikation wird menschlicher

Die Befürchtung, Kommunikation könnte ihren Human Touch völlig verlieren, ist zum Glück unbegründet. Es ist kein Widerspruch: Durch den Einsatz von Technologien wird Kommunikation mitunter sogar menschlicher. Was wir als typisch menschliche Kommunikation empfinden, ist eine Kommunikation mit individuellem Charakter – eine echte One-to-One-Kommunikation. Solch eine Kommunikation ist direkt, schnell, spezifisch, relevant, verständlich, vertrauensvoll und persönlich. Tatsächlich ist KI in der Lage, all diese Kriterien für eine individuelle One-to-One-Kommunikation zu erfüllen. Als erster Chatbot der Geschichte gilt Eliza – eine virtuelle Psychotherapeutin, die Joseph Weizenbaum schon 1966 programmierte. Maschinen haben in solch einer individuellen Interaktion sogar Vorteile: Sie können nicht nur unser Verhalten, Mimik, Stimme und Körpersignale interpretieren, in ihre Kommunikation fließen auch keine eigenen Befindlichkeiten ein. Ein Chatbot kennt keine schlechten Tage.

Die Digitalisierung von Unternehmen verlangt auch KI in der Kommunikation

Unternehmen müssen agieren, nicht abwarten. Verantwortungsbewusste Unternehmer sollten ihre Marketing- Vertriebs-, Service- und Kommunikationsabteilungen jetzt dazu befähigen, an der Zukunft ihrer Kommunikation zu arbeiten. Denn für die Wettbewerbssituation von Unternehmen ist es entscheidend, ihr Verkaufsverhalten dem geänderten Einkaufsverhalten ihrer Zielgruppe anzupassen – und dieser Änderung im Idealfall sogar zuvorzukommen. Es gilt, Zeit und Ressourcen im Unternehmen für die Beobachtung und Analyse von neuen Technologien und Verhaltensänderungen zur Verfügung zu stellen. Branchenverbände sowie Messe- und Kongressveranstalter bieten häufig Vorträge und Workshops zu den diversen Trendthemen an. Natürlich sind auch Inhouse-Workshops oder die Beauftragung von Beratern möglich.

Fazit: Statt bloß Schritt zu halten, besser einen Schritt voraus sein

Indem Unternehmen in ihrer Kommunikation mit Automatisierung und KI experimentieren, trainieren sie ihre Zukunftsfähigkeit. Für die Recherche nach passenden Tools empfiehlt es sich, jemanden aus der Kommunikationsabteilung zu benennen, der technologieaffin ist und gut Englisch spricht. Auch viele deutsche Anbieter von KI-Technologien versuchen ihre internationale Bedeutung dadurch nach außen zu tragen, dass Sie ihre Informationen nur in englischer Sprache anbieten. Was die Recherche wiederum vereinfacht: Viele Technologieanbieter offerieren kostenfreie Probe-Accounts und unterstützen Anwender beim Experimentieren. Der Wandel in der Unternehmenskommunikation ist allgegenwärtig und die Digitalisierung unabwendbar. Um im Wettbewerb der Zukunft zu bestehen, ist es für Unternehmen unerlässlich, sich jetzt mit den Möglichkeiten von Künstlicher Intelligenz auseinanderzusetzen, im Hinblick auf die eigenen Kommunikations-Szenarien ebenso wie in Hinsicht auf die Informationsbedürfnisse und die präferierten Anwendungen ihrer Zielgruppe. Schon damit die Bemühungen einer Einkaufs-KI nicht ins Leere laufen.

((Autorenkasten))

Gabriele Horcher ist Kommunikations-Wissenschaftlerin und geschäftsführende Gesellschafterin der Kommunikationsagentur Möller Horcher in Offenbach und Freiberg (www.moeller-horcher.de). Sie ist Bestseller-Autorin, Vortrags-Rednerin und Expertin für das Thema „Zukunft der Kommunikation“ (www.gabriele-horcher.de). Horcher hat Ihre unternehmerische Pflicht zu ihrer Leidenschaft gemacht und beobachtet, analysiert und prognostiziert seit drei Jahrzehnten den Wandel in der Kommunikation.
Ihre Devise: Die beste Möglichkeit die Zukunft zu prognostizieren, ist sie aktiv mitzugestalten.