„Datenkultur ist kein Projekt, sondern ein kontinuierlicher Veränderungsprozess“
Interview mit Karen Gärtner (DAMA Germany) und Fabienne Schnieders (TU Dortmund).
Daten sind längst mehr als ein technisches Thema – sie sind die Grundlage strategischer Entscheidungen, Innovation und nachhaltiger Wertschöpfung. Doch was unterscheidet Unternehmen, die Daten wirklich erfolgreich nutzen, von denen, die noch immer kämpfen, ihre Potenziale zu heben? Die Antwort lautet: eine gelebte Datenkultur.
Im Vorfeld des Stammdaten Forums 2025 haben wir mit zwei Expertinnen gesprochen, die das Thema aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchten: Karen Gärtner, Datenexpertin und Vorstandsmitglied bei der DAMA Germany, und Fabienne Schnieders, Doktorandin an der TU Dortmund mit Forschungsschwerpunkt Datenkultur. Gemeinsam leiten sie den Workshop „Let’s Talk Data Culture… gemeinsam zur starken Datenkultur!“ – ein Format, das Wissenschaft und Praxis verbindet.
Über die Referentinnen
Fabienne Schnieders – Forscherin für gelebte Datenkultur
Die Faszination für Daten packte Fabienne Schnieders bereits im Studium – in einer Vorlesung über datengetriebene Geschäftsmodelle. Ihre Leidenschaft führte sie ans Fraunhofer Institut für Software- und Systemtechnik (ISST), wo sie an verschiedenen Data-Governance-Projekten mitwirkte. Heute forscht sie an der Graduate School of Logistics der TU Dortmund und in enger Zusammenarbeit mit KSB SE & Co. KGaA zum Thema Datenkultur. Ihr Ziel: Wissenschaft und Praxis so zu verbinden, dass Unternehmen ihre Datenkultur verstehen, gestalten und leben können.

Karen Gärtner – Datenhandwerkerin mit Leidenschaft für Governance
Karen Gärtner ist seit vielen Jahren in leitenden Datenmanagement-Rollen tätig – unter anderem bei SMA Solar, Dräger, Schaeffler und Fressnapf Holding SE. Heute engagiert sie sich bei der DAMA Deutschland e.V. als Head of Training & Events und gestaltet die Datenmanagement-Community aktiv mit. Ihre Schwerpunkte liegen in Data & Analytics Governance, AI Governance und Data Literacy. Ihr Ziel: Datenkompetenz in Organisationen fördern und Datenmanagement als gelebte Haltung etablieren.
Das Interview
Daten gelten als strategischer Erfolgsfaktor. Warum ist eine starke Datenkultur aus Ihrer Sicht so entscheidend für Unternehmen?
Karen Gärtner & Fabienne Schnieders:
Eine starke Datenkultur ist für Unternehmen unverzichtbar, weil sie die Grundlage für nachhaltige Wertschöpfung und zukunftsfähige Entscheidungen bildet. Unsere gemeinsame Arbeit – etwa im Workshop „Let’s Talk Data Culture… gemeinsam zur starken Datenkultur!“ – vermittelt, wie entscheidend eine gelebte Datenkultur für den Erfolg datengetriebener Organisationen ist.
Sie bringen unterschiedliche Hintergründe mit – Praxis und Forschung. Was begeistert Sie persönlich am Thema Datenkultur?
Fabienne Schnieders:
Als Wissenschaftlerin fasziniert mich die Gestaltung von Datenkultur – das Zusammenspiel von Technik, Organisation und insbesondere Mensch, das nicht nur Forschungspotenzial birgt, sondern auch echte Veränderung ermöglicht.
- Komplexität und Vielschichtigkeit: Einerseits verbindet Datenkultur Technik, Organisation und Menschen, andererseits ist Kultur an sich schon sehr komplex – dies macht es zu einem hochspannenden Forschungsfeld.
- Menschen im Mittelpunkt: Es ist ein neues Forschungsfeld, in dem ich die Möglichkeit sehe, die Basis eines jeden Unternehmens – seine Mitarbeiter – in ihrem Vertrauen und ihren Fähigkeiten im Umgang mit Daten zu unterstützen.
- Veränderung gestalten: Eine entsprechende Datenkultur hat wirklich einen positiven Einfluss auf Unternehmen. Es ist wunderbar, einen Beitrag hierzu leisten zu dürfen.
„Mich fasziniert, wie Datenkultur als unsichtbarer Hebel wirkt – sie entscheidet darüber, wie Technik, Organisation und insbesondere der Mensch zusammenwirken.“
Karen Gärtner:
Ich bringe meine Erfahrung aus dem operativen Datenmanagement ein und bin begeistert von der transformierenden Kraft einer gelebten Datenkultur:
- Verantwortung und Haltung: Ich sehe Datenkultur als Fundament für verantwortungsvolles Handeln im Umgang mit Daten – von der Führungsebene bis zur operativen Umsetzung.
- Empowerment durch Kompetenz: Meine Leidenschaft gilt der Förderung von Data Literacy – denn nur wer versteht, kann gestalten.
- Brücken bauen: Ich liebe es, Menschen aus unterschiedlichen Bereichen zusammenzubringen, um ein gemeinsames Verständnis für Daten zu entwickeln.
„Datenkultur ist für mich der Schlüssel, um aus Daten echte Entscheidungen zu machen – und das begeistert mich jeden Tag aufs Neue.“
Beide:
Trotz unterschiedlicher Hintergründe teilen wir die Überzeugung, dass Datenkultur mehr ist als ein Buzzword – sie ist ein strategisches Element, das Unternehmen zukunftsfähig macht. Unsere Zusammenarbeit zeigt, wie Forschung und Praxis voneinander lernen und gemeinsam Impulse setzen können.
Viele Unternehmen sprechen über Datenkultur, setzen sie aber nur schwer in die Praxis um. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Beide:
Die Umsetzung von Datenkultur scheitert nicht an fehlender Technologie, sondern an fehlender Veränderungsbereitschaft, Kommunikation und Verantwortung. Nur wenn Unternehmen Datenkultur als strategisches Führungs- und Lernfeld begreifen, kann sie nachhaltig wirken.
„Datenkultur ist kein Projekt, sondern ein kontinuierlicher Veränderungsprozess – und der braucht Zeit, Ressourcen und Führung.“
Welche typischen Merkmale sehen Sie in Unternehmen, die bereits eine starke Datenkultur leben?
Fabienne Schnieders (Forschungsperspektive):
- Vertrauen in Daten: Mitarbeitende und Führungskräfte vertrauen den verfügbaren Daten und nutzen sie aktiv für Entscheidungen.
- Datenkompetenz als Standard: Data Literacy ist kein Sonderfall, sondern integraler Bestandteil der Personalentwicklung.
- Reflexionsfähigkeit: Unternehmen hinterfragen regelmäßig ihre Datenpraktiken und passen sie an neue Anforderungen an.
- Transparente Kommunikation: Daten werden offen geteilt und diskutiert – Silodenken wird aktiv vermieden.
Karen Gärtner (Praxisperspektive):
- Verantwortung ist klar geregelt: Rollen und Verantwortlichkeiten im Datenmanagement sind eindeutig definiert und werden gelebt.
- Führungskräfte als Vorbilder: Sie treffen datenbasierte Entscheidungen und fördern eine offene Fehlerkultur im Umgang mit Daten.
- Daten sind strategisch eingebettet: Datenmanagement ist Teil der Unternehmensstrategie – nicht nur ein IT-Thema.
- Kultur der Zusammenarbeit: Fachbereiche und IT arbeiten eng zusammen, um Daten sinnvoll zu nutzen und weiterzuentwickeln
In vielen Organisationen existieren Strukturen für Data Governance – aber oft fehlt die gelebte Kultur. Wie gelingt der Brückenschlag zwischen „Papier“ und Praxis?
Fabienne Schnieders & Karen Gärtner:
„Zwischen Papier und Praxis liegt der Mensch – und der muss befähigt, eingebunden und inspiriert werden.“
- Führung als Kulturträger: Führungskräfte müssen Governance nicht nur kennen, sondern aktiv vorleben – durch datenbasierte Entscheidungen und offene Kommunikation.
- Schulungen mit Praxisbezug: Data Literacy-Programme sollten Governance nicht als Regelwerk, sondern als Werkzeug für den Alltag vermitteln.
- Verknüpfung mit konkreten Use Cases: Wenn Governance-Regeln direkt in Projekten angewendet werden, entsteht ein Verständnis für ihren Nutzen – z. B. bei der Einführung neuer Dashboards oder KI-Anwendungen.
Der Brückenschlag gelingt, wenn Governance nicht als „Regelwerk im Schrank“, sondern als gelebte Haltung im Alltag verstanden wird. Fabienne Schnieders und Karen Gärtner meinen: Es braucht Mut zur Kulturarbeit, Raum für Dialog und Führung mit Haltung, um Datenkultur und Governance wirklich zusammenzuführen.
Kommunikation und Zusammenarbeit sind zentrale Erfolgsfaktoren – wie können Fachbereiche, IT und Management gemeinsam eine Datenkultur gestalten?
Beide:
Hier sehen wir diese konkreten Maßnahmen zur Förderung
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- Crossfunktionale Daten-Teams: Zusammensetzung aus Fachbereich, IT und Management für datengetriebene Projekte.
- Data Culture Workshops: Regelmäßige Formate zur Reflexion und Weiterentwicklung der Datenkultur.
- Gemeinsame Zielbilder: Entwicklung eines „Data Purpose“ – einer Vision, die alle Bereiche verbindet.
Fazit
Eine starke Datenkultur entsteht nicht durch Technik allein, sondern durch gemeinsames Verständnis, geteilte Verantwortung und gelebte Kommunikation. Wenn Fachbereiche, IT und Management miteinander statt nebeneinander arbeiten, wird Datenkultur zum echten Erfolgsfaktor.
Frau Gärtner, Sie beschäftigen sich auch mit AI Governance. Welche Rolle spielt Datenkultur, wenn es darum geht, Vertrauen in KI zu schaffen?
„AI Governance ist mehr als Compliance – sie ist ein kultureller Auftrag. Ohne Datenkultur fehlt das Fundament für vertrauenswürdige KI.“
Ich sehe Datenkultur als Brücke zwischen Nutzen und Risiko von KI: Nur wenn Organisationen eine gemeinsame Haltung zu Daten entwickeln, können sie KI-Systeme verantwortungsvoll gestalten und einsetzen.
Datenkultur ist kein Nebenschauplatz, sondern die Grundlage für ethische, transparente und vertrauenswürdige KI. Wer KI erfolgreich und nachhaltig einsetzen will, muss zuerst die eigene Datenkultur stärken.
Frau Schnieders, was haben Sie in Ihrer Forschung zur Datenkultur gelernt?
Datenkulturen sind vielschichtig und oft schwer zu beschreiben, da sie ebenso von Emotionen, Erwartungen und etablierten Gewohnheiten geprägt wie von technischen Standards. Dadurch benötigen insbesondere Unternehmen, die eine sehr stabile Unternehmenskultur haben, oftmals Zeit. Außerdem habe ich gelernt, dass es keine universell ‚reife‘ Datenkultur gibt. Vielmehr muss jede Organisation ihre eigene, passende Form entwickeln, und zwar mit einem tiefen Verständnis für die bestehende Kultur und einem sensiblen Umgang mit den Menschen, die sie tragen.
Welche Rolle spielen Tools und Technologien beim Aufbau einer Datenkultur – und welche nicht-technischen Faktoren sind ebenso entscheidend, damit diese Kultur wirklich gelebt wird?
Beide:
Tools und Technologien sind wichtige Bausteine, aber keine alleinige Lösung beim Aufbau einer Datenkultur. Aus unserer Sicht entfalten sie ihre Wirkung nur im Zusammenspiel mit kulturellen, organisatorischen und menschlichen Faktoren.
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Faktor |
Bedeutung für gelebte Datenkultur |
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Führung & Vorbildfunktion |
Führungskräfte müssen datenbasiertes Denken vorleben und aktiv fördern. |
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Data Literacy & Weiterbildung |
Mitarbeitende brauchen Kompetenzen, um Daten sicher und sinnvoll zu nutzen. |
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Werte & Haltung |
Vertrauen, Transparenz, Verantwortung und eine entsprechende Fehlerkultur sind zentrale kulturelle Werte. |
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Kommunikation & Dialog |
Offene Gespräche über Daten, ihre Bedeutung und Interpretation sind essenziell. |
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Partizipation & Ownership |
Datenkultur entsteht, wenn Mitarbeitende mitgestalten dürfen – nicht nur konsumieren. |
Wie ergänzen sich Ihre wissenschaftliche und praktische Perspektive?
Die Kombination aus wissenschaftlicher Perspektive und praktischer Erfahrung schafft einen fruchtbaren Dialog, der Datenkultur ganzheitlich beleuchtet. Wir beide bringen unterschiedliche Blickwinkel ein – und gerade darin liegt unsere Stärke.
Fabienne Schnieders:
„Datenkultur ist kein Entweder-Oder zwischen Theorie und Praxis – sondern ein Sowohl-als-auch.“
Karen Gärtner:
„Manchmal frage ich: Wie viel Theorie verträgt die Praxis? Und Fabienne antwortet: Wie viel Praxis verträgt die Theorie?“
Gerade in diesem Dialog entsteht Innovation.
Was erwartet die Teilnehmenden in Ihrem Workshop „Let’s Talk Data Culture!“?
Echte Aha-Momente: Viele erkennen, dass Datenkultur mehr ist als Technik – sie ist Haltung, Kommunikation und Zusammenarbeit.
Praxisnahe Impulse: Die Inhalte sind direkt auf den Unternehmensalltag übertragbar – keine Theorie ohne Anwendung.
Inspirierende Atmosphäre: Wir legen Wert auf ein wertschätzendes Umfeld, in dem auch kritische Fragen erlaubt sind.
Gemeinsames Gestalten: Der Workshop lebt vom Mitmachen – jede Stimme zählt, jede Perspektive ist willkommen.
„Wir reden nicht nur über Datenkultur – wir machen sie im Workshop transparent und gestaltbar.“ – Fabienne Schnieders & Karen Gärtner
Welche Methoden oder Werkzeuge geben Sie den Teilnehmenden an die Hand, um Datenkultur in ihrem Unternehmen gezielt voranzubringen?
„Wir geben keine fertigen Rezepte – sondern Werkzeuge, mit denen jede Organisation ihren eigenen Weg zur Datenkultur gestalten kann.“
Werkzeuge für gelebte Datenkultur:
- Data Culture Canvas – Framework zur Entwicklung einer gemeinsamen Vision.
- Reflexionsfragen & Dialogformate – z. B. „Data Culture Labs“ oder „Lunch & Learn“.
- Use-Case-orientierte Umsetzung – kleine, praxisnahe Umsetzungsschritte.
- Data Literacy-Programme – Empowerment statt nur Wissensvermittlung.
- Kommunikationsstrategien – Storytelling und Visualisierung als Akzeptanzhebel.
Welche Entwicklungen werden die Datenkultur der Zukunft prägen?
AI Governance & Ethik als Kulturtreiber
Mit dem Vormarsch von KI wird die Frage nach verantwortungsvollem Umgang mit Daten immer wichtiger. Datenkultur wird zur Basis für vertrauenswürdige KI-Systeme, die transparent, fair und nachvollziehbar agieren.
Data Literacy als Pflichtkompetenz
Datenkompetenz wird nicht mehr nur „nice to have“, sondern Grundvoraussetzung für alle Rollen im Unternehmen. Unternehmen investieren verstärkt in interaktive Lernformate, um Datenkultur nachhaltig zu verankern.
Kollaboration über Silos hinweg
Datenkultur wird zum Bindeglied zwischen Fachbereichen, IT und Management. Neue Rollen wie „Data Culture Facilitator“ oder „Data Steward“ fördern bereichsübergreifende Zusammenarbeit.
Kultur als Wettbewerbsvorteil
Unternehmen erkennen, dass eine starke Datenkultur nicht nur intern wirkt, sondern auch nach außen strahlt – etwa in Kundenvertrauen, Innovationskraft und Employer Branding. „Datenkultur wird zur strategischen Führungsaufgabe – und zum echten Differenzierungsmerkmal.“ – Karen Gärtner
Was wünschen Sie sich, dass Teilnehmende aus Ihrem Workshop mitnehmen?
Ein klares Verständnis, neue Motivation und konkrete Werkzeuge – um Datenkultur in ihren eigenen Organisationen aktiv zu gestalten.
Fazit
Die Zukunft der Datenkultur ist werteorientiert, kollaborativ und lernbereit.
Wer heute in Datenkultur investiert, schafft die Grundlage für verantwortungsvolle Digitalisierung und nachhaltige Innovation.
Über das Stammdaten Forum
Das Stammdaten Forum ist die führende Fachveranstaltung für Data Governance, Stammdatenmanagement, Digitale Transformation und Datenkultur im deutschsprachigen Raum. Es bietet eine Plattform für den Austausch zwischen Praxis, Wissenschaft und Technologieanbietern – mit Workshops, Vorträgen und Best Practices rund um den Umgang mit Daten als strategischem Erfolgsfaktor.
Seien Sie dabei beim Stammdaten Forum 2025
📅 Termin: 27. – 28.11.2025
📍 Ort: Düsseldorf
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